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Gewährleistungsansprüche beim Kauf eines Fahrzeugs

Gewährleistungsansprüche beim Kauf eines Fahrzeugs   OLG Hamm, Urteil vom 21.7.2016 – 28 U 175/15   Sachverhalt:   Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die in ein Autohaus betreibt, die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug mit Tageszulassung.   Anlässlich eines Reifenwechsels im Dezember 2013 wurde die Klägerin informiert, dass an dem Fahrzeug Auspuffrohr und […]

Gewährleistungsansprüche beim Kauf eines Fahrzeugs

 

OLG Hamm, Urteil vom 21.7.2016 – 28 U 175/15

 

Sachverhalt:

 

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die in ein Autohaus betreibt, die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug mit Tageszulassung.

 

Anlässlich eines Reifenwechsels im Dezember 2013 wurde die Klägerin informiert, dass an dem Fahrzeug Auspuffrohr und Tank beschädigt seien. Im Prozess ist zwischen den Parteien steht nicht mehr im Streit, dass dieser Schaden bei Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin am 23.07.2013 schon vorhanden war. Die Klägerin führte das Fahrzeug unter Hinweis auf die Beschädigung bei der Beklagten vor, wo angeboten wurde, den Schaden zu beseitigen.

 

Mit Anwaltsschreiben vom 12.12.2013 warf die Klägerin der Beklagten eine arglistige Täuschung über den Schaden vor und lehnte es ab, das Fahrzeug – wie von der Beklagten angeboten – reparieren zu lassen, weil ihr nicht zugleich eine Minderung angeboten worden sei. Sie verlangte nun sinngemäß unter Fristsetzung zum 08.01.2014 Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs. Die Beklagte ließ mit Anwaltsschreiben vom 27.12.2013 bestreiten, dass das Fahrzeug bei Auslieferung einen Mangel gehabt habe, und erklärte sich bereit, kulanzweise Auspuff und Tank kostenfrei auszutauschen.

 

Nach weiterem ergebnislosem Schriftwechsel leitete die Klägerin beim Amtsgericht Bielefeld ein selbstständiges Beweisverfahren ein, in dem der Sachverständige in seinem Gutachten vom 15.10.2014 bestätigte, dass das Schadensbild an Auspuff und Tank auf einen Transport- oder Ladeschaden hinweise, der durch nachträglich aufgebrachten Unterbodenschutz kaschiert, aber nicht fachgerecht beseitigt worden sei. Zur fachgerechten Instandsetzung sei ein Austausch von Auspuff und Tank erforderlich, dessen Kosten sich auf brutto 1.954,27 € beliefen, danach verbleibe kein merkantiler Minderwert.

 

Die Klägerin erklärte sodann mit Anwaltsschreiben vom 12.11.2014 die Anfechtung und den Rücktritt vom Kauf und setzte der Beklagten eine Erklärungsfrist zum 19.11.2014.

 

Mit der nachfolgend erhobenen Klage hat die Klägerin Rückzahlung von Kaufpreis und Zulassungskosten nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangt.

 

Sie hat der Beklagten vorgeworfen, ihr den Transportschaden beim Kauf arglistig verschwiegen zu haben.

 

Daneben hat die Klägerin ihr Begehren auf Gewährleistungsrecht gestützt. Das verkaufte Fahrzeug sei mangelbehaftet und die Beklagte sei ihrem Nachlieferungsverlangen nicht binnen gesetzter Frist nachgekommen.

 

Die Beklagte ist dem Vorwurf arglistigen Verschweigens des Mangels beim Kauf entgegengetreten – der Schaden sei ihren Mitarbeitern seinerzeit nicht bekannt gewesen – und hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe die ihr angebotene Reparatur nicht ablehnen und von der zusätzlichen Gewährung einer Minderung abhängig machen dürfen.

 

Eine Nachlieferung komme nicht in Betracht. Zum einen gehe es um einen auf das bestimmte Fahrzeug bezogenen Stückkauf. Zum anderen sei eine solche Nachlieferung wegen der damit für sie verbundenen Kosten unverhältnismäßig im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB.

 

Des Weiteren hat die Beklagte geltend gemacht, der Rücktritt vom Kauf sei nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen, weil ihr nur eine unerhebliche Pflichtverletzung anzulasten sei.

 

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

 

Auf eine arglistige Täuschung könne die Klägerin ihr Rückabwicklungsbegehren nicht stützen, weil sie nicht substanziiert vorgetragen habe, dass die Beklagte zur Zeit des Kaufs Kenntnis von dem Schaden gehabt habe.

 

Auch auf Mängelgewährleistungsrecht könne die Klage nicht gestützt werden. Eine Nachlieferung, wie von der Klägerin vor Rücktrittsausspruch verlangt, sei zwar grundsätzlich möglich, aber vorliegend gemäß § 439 Abs. 3 BGB als unverhältnismäßig anzusehen. Dabei hat das Landgericht die Auffassung vertreten, diese Einrede könne ein Verkäufer auch noch nach erklärtem Rücktritt erheben. Der Einwand sei in der Sache auch begründet, was im Einzelnen ausgeführt wird.

 

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihre Klagebegehren weiter und wiederholt und vertieft hierzu ihr erstinstanzliches Vorbringen.

 

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03.09.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin …EUR Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw L D SW 1.6 mit der Fahrgestell-Nr. U…YHM…ADL… zu zahlen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Klägerin kann von der Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen.

 

Der Anspruch ergibt sich aus den §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434, 433 BGB.

 

Die Klägerin ist mit Anwaltsschreiben vom 12.11.2014 wirksam von dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten. Das verkaufte Fahrzeug wies bei Gefahrübergang, d. h. bei Übergabe, einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB auf, die Beklagte ist dem berechtigten Nachlieferungsverlangen der Klägerin nicht binnen gesetzter Frist nachgekommen  und sie kann sich im Prozess nicht mehr auf die Unverhältnismäßigkeit dieser Art der Nacherfüllung berufen.

 

…Hier liegt ein Sachmangel vor. Denn es gehört zur üblichen und berechtigterweise vom Käufer zu erwartenden Beschaffenheit eines mit Tageszulassung verkauften Fahrzeugs, dass ein solcher Transportschaden vor Auslieferung fachgerecht beseitigt worden ist. Das war hier nicht geschehen, so dass ein Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB zu bejahen ist.

 

Die Klägerin hat der Beklagten gemäß § 323 Abs. 1 BGB erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt, bevor sie den Rücktritt vom Kauf erklärt hat.

 

Mit Anwaltsschreiben vom 12.12.2013 hat die Klägerin sinngemäß die Lieferung eines mängelfreien Fahrzeugs verlangt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihr Wahlrecht zwischen einer Nachbesserung und einer Nachlieferung nach § 439 Abs. 1 BGB noch nicht verloren.

 

Ein Käufer, der sich für eine Art der Nacherfüllung entschieden und diese gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht hat, kann nicht zeitlich unbegrenzt seine Wahl ändern. Er ist grundsätzlich an seine Wahl gebunden, wenn der Verkäufer in der gewählten Form nacherfüllt oder den Käufer in Bezug auf die gewählte Form in Annahmeverzug versetzt hat oder wenn der Verkäufer rechtskräftig zu einer Form der Nacherfüllung verurteilt wurde.

 

So war es hier aber nicht.

 

Die Fristsetzung zum 08.01.2014 war ordnungsgemäß i. S. des § 323 Abs. 1 BGB, auch wenn sie zugleich für die Abgabe einer Stellungnahme oder das Angebot eines Übergabetermins gelten sollte.

 

Die Beklagte macht insoweit zunächst ohne Erfolg geltend, ihr sei eine Nachlieferung im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB nicht möglich (gewesen), weil die Lieferung eines anderen Fahrzeugs nicht dieselbe Leistung darstelle.

 

Bei einem Neufahrzeugkauf ist die Nachlieferung grundsätzlich möglich, wenn der Verkäufer ein mangelfreies Fahrzeug mit der geschuldeten Ausstattung beschaffen kann.

 

Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Unverhältnismäßigkeit dieser Form der Nacherfüllung berufen, wie sie es erstmals im Prozess und damit nach Ausspruch des Rücktritts am 12.11.2014 getan hat.

 

Den Einwand der Unverhältnismäßigkeit gemäß § 439 Abs. 3 BGB kann der Verkäufer nach Erklärung des Vertragsrücktritts durch den Käufer nicht mehr erheben.

 

Der Verkäufer muss die Einrede erheben, solange noch ein Nacherfüllungsanspruch besteht, also bevor der Käufer den Rücktritt oder die Minderung erklärt oder Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat.

 

Aufgrund des berechtigten Rücktritts kann die Klägerin Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der durch die Fahrzeugnutzung gezogenen Gebrauchsvorteile verlangen.

 

Die von dem Kaufpreis von 16.290 € in Abzug zu bringende Nutzungsentschädigung ist mit 2.850,75 € zu beziffern. Die Berechnung der Gebrauchsvorteile erfolgt nach der Theorie über den linearen Wertschwund, wonach der Kaufpreis ins Verhältnis zu setzen ist zur voraussichtlichen Gesamtlaufleistung bzw. (bei Gebrauchtfahrzeugen) Restlaufleistung und der daraus auf die vom Käufer zugelegte Fahrstrecke entfallende Anteil zu ermitteln ist.

 

Es handelt sich dabei um eine im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung getätigte Aufwendung, die sich für die Klägerin als nutzlos erwiesen hat.

 

(OLG Hamm, Urteil vom 21.07.2016 – Aktenzeichen 28 U 175/15, BeckRS 2016, 14733, beck-online)