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Aufbauseminar bei begleitetem Fahren

Aufbauseminar bei begleitetem Fahren   Auch bei der Ermächtigung zum „Begleiteten Fahren ab 17 Jahre“ handelt es sich um eine Fahrerlaubnis auf Probe im Sinne der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, so dass bei Verkehrsverstößen die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar in Betracht kommt.   Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 3.4.2013 – 1 A 92/11.   Gemäß § […]

Aufbauseminar bei begleitetem Fahren

 

Auch bei der Ermächtigung zum „Begleiteten Fahren ab 17 Jahre“ handelt es sich um eine Fahrerlaubnis auf Probe im Sinne der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, so dass bei Verkehrsverstößen die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar in Betracht kommt.

 

Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 3.4.2013 – 1 A 92/11.

 

Gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 StVG wird eine Fahrerlaubnis bei ihrem erstmaligen Erwerb auf Probe erteilt, wobei die Probezeit zwei Jahre vom Zeitpunkt der Erteilung an dauert. Ist gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis wegen einer innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen, die nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 StVG in das Verkehrszentralregister einzutragen ist, so hat die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG seine Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn er eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. In diesem Fall verlängert sich die Probezeit gemäß § 2a Abs. 2a Satz 1 StVG um zwei Jahre.

 

Der Kläger war entgegen seiner Auffassung im Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes am 12.05.2010 im Besitz einer Fahrerlaubnis auf Probe. Daran ändert nichts, dass es sich um eine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen in Begleitung gemäß § 6e Abs. 1 StVG i.V.m. § 48a der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) handelt. Nach der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 6e Abs. 1 StVG erlassenen Regelung gemäß § 48a Abs. 1 Satz 1 FeV beträgt das Mindestalter für die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B und BE 17 Jahre. Bereits diese Formulierung lässt erkennen, dass es sich auch bei der Ermächtigung zum „Begleiteten Fahren ab 17 Jahre“ um eine Fahrerlaubnis im Sinne der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften handelt. Dies ergibt sich zudem aus der Begründung des Gesetzgebers zu § 6e StVG (VkBl. 2005, 686, 691), die von der Herabsetzung des Mindestalters für die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B und BE spricht.

 

Über diese Fahrerlaubnis wurde dem Kläger gemäß § 48a Abs. 3 Satz 1 FeV eine Prüfungsbescheinigung ausgestellt, die bis drei Monate nach Vollendung des 18. Lebensjahrs im Inland zum Nachweis der Fahrberechtigung dient. Mit der Aushändigung dieser befristeten Prüfungsbescheinigung wurde dem Kläger die Fahrerlaubnis gemäß § 22 Abs. 4 Satz 7 FeV bereits am 17.07.2009 unbefristet erteilt (vgl. die amtliche Begründung zu § 6e StVG, a.a.O., Seite 691).

 

Da dem Kläger erstmals eine Fahrerlaubnis erteilt wurde, handelt es sich gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 StVG um eine Fahrerlaubnis auf Probe, wobei die Probezeit nach dem 2. Halbsatz der Vorschrift zwei Jahre vom Zeitpunkt der Erteilung an dauert. Der Kläger befand sich somit zur Zeit des Verkehrsverstoßes am 12.05.2010 noch in der Probezeit. Es kommt nicht darauf an, dass der Zeitraum der Probezeit in der Prüfungsbescheinigung nicht vermerkt wird, denn der Umstand, dass dem Kläger eine Fahrerlaubnis auf Probe erteilt wurde, und die Länge der Probezeit ergeben sich ohne Weiteres aus dem Gesetz. Es wäre auch lebensfremd anzunehmen, dass dem Kläger nicht bekannt war, dass er sich in einer Probezeit befand, zumal Kenntnisse über die Fahrerlaubnis zum Prüfungsstoff der Fahrprüfung gehören (Nr. 6.2 der Anlage 7 zu § 16 Abs. 2 und § 17 Abs. 2 und 3 FeV).

 

Der Kläger hat innerhalb der Probezeit eine Ordnungswidrigkeit begangen, indem er am 12.05.2010 das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage missachtet hat (§ 24 StVG i.V.m. §§ 49 Abs. 3 Nr. 2, 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO). Hierbei handelte es sich auch um eine nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG im Verkehrszentralregister zu speichernde schwerwiegende Zuwiderhandlung im Sinne von § 2a Abs. 2 Nr. 1 StVG (Nr. 2.1 der Anlage 12 zu § 34 FeV, „Verhalten an Wechsellichtzeichen“). Die Beklagte hatte daher, ohne dass sie Ermessen auszuüben hatte, die Teilnahme des Klägers an einem Aufbauseminar gemäß § 2b StVG, § 34 Abs. 2 FeV anzuordnen.

 

Der Vortrag des Klägers, § 6e Abs. 1 und 2 StVG treffe keine Regelungen über die Teilnahme an einem Aufbauseminar und enthalte deshalb eine bewusste Regelungslücke, verhilft seiner Klage nicht zum Erfolg. Wie bereits dargelegt, enthält § 6e Abs. 1 StVG eine Verordnungsermächtigung hinsichtlich des Führens von Kraftfahrzeugen in Begleitung. Einer besonderen Ermächtigung zur Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar bedurfte es bereits deshalb nicht, weil der Umstand, dass es sich auch bei der nach § 48a FeV erteilten Fahrerlaubnis um eine Fahrerlaubnis auf Probe handelt, sowie die Probezeit einschließlich der Folgen von Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften im Straßenverkehrsgesetz selbst geregelt sind. Von einer bewussten Lücke kann somit nicht die Rede sein. § 6e Abs. 2 StVG betrifft die Voraussetzungen für den Widerruf einer auf Grundlage der Rechtsverordnung nach Abs. 1 erteilten Fahrerlaubnis; warum der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Regelungslücke darin sieht, dass hier keine Regelung über den Besuch eines Aufbauseminars getroffen wurde, ist nicht nachvollziehbar. Gegen eine solche Lücke spricht im Übrigen, dass § 6e Abs. 3 StVG ausdrücklich die Geltung der Regelungen die Fahrerlaubnis auf Probe auch im Fall des Führens von Kraftfahrzeugen in Begleitung anordnet.

 

Schließlich kann sich der Kläger auch nicht auf einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG berufen, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Zum einen galten sämtliche entscheidungsrelevanten Bestimmungen bereits im Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes des Klägers, zum anderen unterfällt die Aufforderung, ein Aufbauseminar zu besuchen, nicht dem Anwendungsbereich des Art. 103 Abs. 2 GG. Strafbarkeit nach dieser Norm bezieht sich auf staatliche Maßnahmen, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten darstellen und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängen, das dem Schuldausgleich dient (BVerfG, Urteil vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 -, BVerfGE 109, 133, 167; Jarass/Pieroth, GG, 11. Auflage 2011, Art. 103 Rn. 44). Die Strafe, auch die bloße Ordnungsstrafe, ist daher im Gegensatz zur reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, dass sie – wenn nicht ausschließlich, so doch auch – auf Repression und Vergeltung für rechtlich verbotenes Verhalten abzielt (BVerfG, Beschluss vom 25.10.1966 – 2 BvR 506/63 -, BVerfGE 20, 323). An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Die Anordnung, an einem Aufbauseminar gemäß § 2b StVG teilzunehmen, hat keinen Vergeltungscharakter, sondern verfolgt lediglich den Zweck, künftigen Verkehrsverstößen von Fahranfängern vorzubeugen. Es handelt sich somit um eine präventive Maßnahme der Gefahrenabwehr, die nicht dem Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG unterfällt (siehe für den vergleichbaren Fall eines Aufbauseminars gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 8 StVG: BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 – 3 C 3/07 -, BVerwGE 132, 48).