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Geltendmachung von Kindesunterhalt beim Wechselmodell

Geltendmachung von Kindesunterhalt beim Wechselmodell    Im Fall des Wechselmodells ist die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt auf einen Elternteil gem. § 1628 BGB vorzugswürdig gegenüber der Einsetzung eines Ergänzungspflegers, weil damit auch die Entscheidungsbefugnis über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens geklärt wird.   Der Einsatz eines Ergänzungspflegers ist im Regelfall auch […]

Geltendmachung von Kindesunterhalt beim Wechselmodell

  

  1. Im Fall des Wechselmodells ist die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt auf einen Elternteil gem. § 1628 BGB vorzugswürdig gegenüber der Einsetzung eines Ergänzungspflegers, weil damit auch die Entscheidungsbefugnis über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens geklärt wird.

 

  1. Der Einsatz eines Ergänzungspflegers ist im Regelfall auch nicht erforderlich, um einen konkreten Interessenkonflikt zu vermeiden (§ 1796 BGB); regelmäßig liegt nur ein abstrakter Interessengegensatz vor wie auch in allen anderen Fällen, in denen ein Haftungsanteil der Elternteile zu bilden ist (zB beim Mehrbedarf eines Kindes), oder wenn gleichzeitig Trennungsunterhalt begehrt wird.

 

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 17.10.2016 – 6 UF 242/16

 

Sachverhalt:

Die minderjährigen Bet. zu 1 und 2 sind aus der geschiedenen Ehe der Bet. zu 3 und 4 hervorgegangen. Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern betreuen die Kinder zu gleichen Teilen. Zwischen ihnen besteht Dissens, ob die bisherigen Unterhaltszahlungen des Bet. zu 3 (Vater) ausreichend sind.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das AG Fürth/Odenwald (Beschl. v. 27.7.2016 – 4 F 461/15 SO) der Bet. zu 4 (Mutter) auf ihren Antrag im Wege der einstweiligen Anordnung die Entscheidung über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen für die beiden Kinder allein übertragen. Hiergegen wandte sich der Bet. zu 3 mit der Beschwerde. Da auch die Mutter zum Barunterhalt herangezogen werden könne, liege eine Interessenkollision vor, die die Einsetzung eines Ergänzungspflegers gebiete.

Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

 

Aus den Gründen

Wenn Eltern wie im vorliegenden Fall die Sorge für ihre Kinder gemeinsam zusteht, sind sie gem. § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB auch gemeinsam zur Vertretung der Kinder bei der Geltendmachung von Ansprüchen befugt. Daher liegt im Fall der Geltendmachung von Kindesunterhalt den gesetzlichen Regelungen über die Vertretung des Kindes in Unterhaltsverfahren die Vorstellung der alleinigen Betreuung des Kindes durch einen Elternteil und die in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgesehene Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils zugrunde. Dem entspricht § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB, der vorsieht, dass der Obhutselternteil auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge befugt ist, das Kind bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den anderen allein zu vertreten.

Wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, ist bei gemeinsamer elterlicher Sorge in Fällen des paritätischen Wechselmodells aber kein Elternteil befugt, in alleiniger Vertretung des Kindes dessen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil geltend zu machen, denn in diesen Fällen betreuen beide das Kind und eine alleinige Ohhut i. S. d. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB besteht nicht. Im Grundsatz müsste dann das Kind vertreten durch beide Elternteile auf der einen Seite seinen Unterhaltsanspruch gegen einen der vertretenden Elternteile auf der anderen Seite geltend machen. Praktisch würde das regelmäßig am Widerstand des Elternteils scheitern, von dem Unterhalt beansprucht werden soll.

Es ergeben sich aber auch rechtliche Hindernisse. Bei (noch) verheirateten Eltern besteht grundsätzlich ein Vertretungsverbot, weil es Eltern ebenso wie Vormündern gem. § 1629 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 1795 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB untersagt ist, als Vertreter des Kindes gerichtliche Verfahren gegen ihren Ehegatten zu führen.

Wenn die Eltern wie vorliegend geschieden sind, können sie das Kind wegen des sich aus §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 2 und 181 BGB ergebenden Verbots der In-Sich-Vertretung im Rechtstreit nicht gemeinsam bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen einen von ihnen vertreten.

Der BGH hat in zwei Entscheidungen in Fällen geschiedener Eltern in nicht tragenden Teilen der Gründe ohne nähere Erläuterung ausgeführt, bei gleichmäßiger Betreuung eines Kindes gemeinsam sorgeberechtigter Eltern müsse der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil müsse beim FamG beantragen, ihm gem. § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen. Diese Ausführungen sind in der Literatur weitgehend unhinterfragt übernommen worden. Der Senat hält den Lösungsweg über § 1628 BGB für vorzugswürdig, weil der BGH in seiner früheren Rechtsprechung die der Führung eines Unterhaltsverfahrens vorausgehende Entscheidung über das Ob seiner Einleitung als von der Vertretung des Kindes im Verfahren getrennt zu beurteilenden Teil der Ausübung der elterlichen Sorge angesehen hat. Die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den mitsorgeberechtigten Elternteil führt gem. § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB unmittelbar zur Alleinvertretungsbefugnis des anderen Elternteils. Die Einsetzung eines Ergänzungspflegers – so ihre noch anzusprechenden Voraussetzungen nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 i. V. m.  § 1796 BGB überhaupt erfüllt sind – würde die Frage über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens noch ungeklärt lassen.

Der Beschwerde liegt die in jüngster Zeit in der Literatur vertretene Auffassung zugrunde, für die Geltendmachung von Unterhalt für durch gemeinsam sorgeberechtigte Eltern im Wechselmodell betreute Kinder sei zur Vermeidung von Interessenkonflikten immer ein Ergänzungspfleger einzusetzen. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar ist zuzugestehen, dass ein abstrakter Interessengegensatz zwischen dem vertretenden Elternteil und dem Kind nicht von der Hand zu weisen ist. Wenn Kinder von beiden Eltern zu gleichen Teilen betreut werden, sind die zu ihrer Vertretung bei der Geltendmachung von Unterhalt berechtigten Elternteile immer auch in eigenen Interessen berührt. Wenn bei aufgeteilter Betreuung kein Elternteil seine Unterhaltspflicht gem. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB allein durch Betreuung erfüllt, steht den Kindern gegen beide ein Barunterhaltsanspruch zu, der sich nach dem gemeinsamen Elterneinkommen bemisst und für den diese gem. § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach Maßgabe ihres den angemessenen Selbstbehalt übersteigenden Einkommens haften. Erst im Ergebnis der Saldierung der beiderseitigen Anteile ergibt sich eine Zahlungsverpflichtung nur eines Elternteils, weil derjenige, der im höheren Maße für den Bedarf des Kindes einzustehen hat, die Hälfte der Differenz zwischen dem auf ihn und den anderen Elternteil als Ausgleichszahlung zu erbringen hat. Der vertretende Elternteil mag deshalb geneigt sein, den eigenen Haftungsanteil möglichst gering anzusetzen.

Im vorliegenden wie auch in den vergleichbar gelagerten Fällen hat nach Auffassung des Senats zu gelten, dass ein Vertretungsausschluss nach § 1796 BGB als Eingriff in die elterliche Sorge nicht ohne Weiteres wegen eines abstrakten Interessengegensatzes erfolgen darf, sondern einen im Einzelfall festzustellenden konkreten Interessengegensatz voraussetzt. In den dargestellten unterhaltsrechtlichen Interessenkollisionen wird dem vertretenden Elternteil in der Regel verantwortungsbewusstes und die Interessen der Kinder vor die eigenen stellendes Handeln zugetraut. Anhaltspunkte für einen erheblichen Interessengegensatz zwischen der Mutter und den Kindern bestehen im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil das Einkommen der Mutter den angemessenen Selbstbehalt in sehr viel geringerem Maß überschreitet als das des gut verdienenden Vaters.

Praxishinweis:

Diese Entscheidung betrifft nur die Fälle, in denen das Kinder bzw. die Kinder jeweils zu gleichen Teilen bei den Eltern leben. Es betrifft also die Fälle des sog. Wechselmodells. Der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, kann nicht ohne weiteres Kindesunterhalt verlangen. Es kommt dann nämlich zu Interessenkollisionen. Der andere Elternteil könnte ebenso davon ausgehen, dass der Unterhalt begehrende Elternteil Unterhalt schuldet. Damit erfolgreich Unterhalt verlangt werden kann, muss zunächst die Erlaubnis haben, allein Kindesunterhalt geltend machen zu dürfen. Die Übertragung muss beim zuständigen Familiengericht beantragt werden. Damit nicht unangemessen viel Zeit verloren geht, sollte ein Eilantrag gestellt werden.