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Haftung des Betreibers bei Auffahrunfall in Waschstraße

Haftung des Betreibers bei Auffahrunfall in Waschstraße Der Betreiber einer Waschstraße hat nicht nur die  allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Er hat außerdem die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren. BGH, Urteil vom 19.7.2018– VII ZR 251/17   Zum Sachverhalt: Der Kläger […]

Haftung des Betreibers bei Auffahrunfall in Waschstraße

Der Betreiber einer Waschstraße hat nicht nur die  allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Er hat außerdem die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren.

BGH, Urteil vom 19.7.2018– VII ZR 251/17
 
Zum Sachverhalt:
Der Kläger (Kl.) verlangt von der Beklagten (Bekl.), der Betreiberin einer Waschstraße, wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs Schadensersatz i. H. v. 1.223,19 Euro nebst Zinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Er befand sich am 7.3.2015 mit seinem Fahrzeug in der von der Bekl. betriebenen Waschstraße. Bei dieser handelt es sich um eine vollautomatisierte Anlage, durch die die Fahrzeuge während des Waschvorgangs von einem Schleppband mit einer geringen Geschwindigkeit gezogen werden. Dabei befinden sich die linken Räder auf der Fördereinrichtung, während die rechten Räder frei über den Boden laufen. Vor und hinter dem Fahrzeug des Kl. befand sich jeweils ein weiteres Fahrzeug. Während des Waschvorgangs betätigte der Fahrer des Fahrzeugs, das sich vor dem Fahrzeug des Kl. befand, grundlos die Bremse, wodurch dieses Fahrzeug aus dem Schleppband geriet und stehenblieb, während das Fahrzeug des Kl. sowie das dahinter befindliche Fahrzeug weitergezogen wurden. Hierbei wurden das Fahrzeug des Kl. auf das abgebremste Fahrzeug und das hinter ihm befindliche Fahrzeug auf sein Fahrzeug geschoben. Der Kl. wirft der Bekl. eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor.
Das AG Wuppertal(Urt. v. 6.11.2015 – 98 C 188/15) hat die Bekl. antragsgemäß zum Schadensersatz verurteilt. Auf die Berufung der Bekl. hat das LG Wuppertal(Urt. v. 17.10.2017 – 16 S 107/15) nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Die Revision des Kl. hatte Erfolg und führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Aus den Gründen:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 631 BGBwegen Verletzung einer werkvertraglichen Schutzpflicht der Bekl. nicht verneint werden.

Rechtsfehlerfrei hat das BerGer. im Ausgangspunkt allerdings angenommen, dass es sich bei dem Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs um einen Werkvertrag handelt und dass sich aus einem solchen Vertrag als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Anlagenbetreibers ergibt, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren.

Zutreffend ist das BerGer. des Weiteren davon ausgegangen, dass Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses zugleich Vertragspflichten sind und dass die auf den Besteller eines Werkvertrags bezogene Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers nicht weiter geht als die werkvertragliche Schutzpflicht des Unternehmers.

Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch, dass das BerGer. eine Pflichtverletzung der Bekl. nicht schon mit der Begründung bejaht hat, die Schadensursache liege allein in deren Gefahrenbereich.

Nach der Rechtsprechung des BGHhat der Schädiger – über den Wortlaut des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGBhinaus – sich nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern er muss auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Gefahrenbereich liegen.

Der Schaden des Kl. ist nicht allein durch den automatisierten Waschvorgang unter Einsatz des von der Bekl. verwendeten und in Gang gesetzten Schleppbands verursacht worden. Vielmehr liegt ein maßgeblicher Verursachungsbeitrag darin, dass der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs grundlos gebremst und damit den automatisierten Waschvorgang gestört hat. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich damit von Fällen, bei denen das Fahrzeug des geschädigten Waschstraßennutzers durch ein am Waschvorgang beteiligtes Teil der Waschstraße (z. B. eine Rotationsbürste) beschädigt wird.
Die Annahme des BerGer., die Bekl. habe keine Schutzpflicht verletzt, hält indes der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGHist derjenige, der eine Gefahrenlage – etwa durch den Betrieb einer Waschstraße – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es aus, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise – hier der Betreiber von Waschstraßen – für ausreichend halten darf, um andere Personen – hier die Kunden – vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht.

Zu den gebotenen Sicherungsvorkehrungen kann auch die Erfüllung von Hinweispflichten gehören.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die vom BerGer. unter Würdigung des Sachverständigengutachtens getroffenen Feststellungen, dass die Waschstraße der Bekl. den anerkannten Regeln der Technik entspricht, dass technische Sicherungsvorkehrungen, die ein Auffahren bei einem Bremsvorgang des vorausfahrenden Fahrzeugs verhindern könnten, bei derartigen Anlagen nicht üblich und dass derartige technische Sicherungsvorkehrungen nicht marktgängig sind.

Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senatgeprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet, § 564 S. 1 ZPO.

Nicht zu beanstanden ist zudem die Annahme des BerGer., eine Schutzpflicht sei nicht deshalb verletzt, weil die Bekl. nicht für eine ununterbrochene Überwachung der Anlage – sei es durch den Einsatz einer Videoanlage sei es durch Mitarbeiter, die neben dem Schleppband mitlaufen – gesorgt hat.

Eine so weitgehende Schutzpflicht würde die berechtigten Verkehrserwartungen überspannen, die anhand der konkreten Umstände, insbesondere der Gefahrgeneigtheit der betriebenen Anlage zu bemessen sind. Solche Maßnahmen sind wegen des damit verbundenen technischen und/oder personellen Aufwands nicht zumutbar und unverhältnismäßig. Das gilt insbesondere deshalb, weil Schadensereignisse der vorliegenden Art mit geringen Kollisionsgeschwindigkeiten allenfalls geringe Sachschäden verursachen, deren Vermeidung den notwendigen Personal- und Materialeinsatz nicht rechtfertigt. Bei diesen Vorfällen handelt es sich zudem um selten auftretende Einzelfälle. Nach dem nicht wirksam bestrittenen Vortrag der Bekl. gab es in der Waschstraße im Jahr 2015 bei 46.700 Waschgängen lediglich fünf Aufschiebevorfälle. Angesichts einer Quote von 0,01 % kommen solche Vorfälle nur in einem geringen Umfang vor. An die Benutzung einer automatisierten Waschstraße – wie hier – stellen die beteiligten Verkehrskreise nicht die Anforderung, durchgehend von einem Mitarbeiter unmittelbar oder per Video überwacht zu werden.

Das BerGer. hat indes nicht berücksichtigt, dass eine Schutzpflichtverletzung in Betracht kommen kann, wenn die Bekl. gebotene Hinweise bezüglich der Benutzung der Waschstraße nicht erteilt hat.

Der Schutz der Rechtsgüter der Benutzer erfordert es, dass von dem Betreiber der Waschstraße nicht nur die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt wird. Sind – wie hier – Schädigungen zu besorgen, wenn die Kunden bei der Nutzung der Anlage – zwar selten, aber vorhersehbar – nicht die notwendigen Verhaltensregeln einhalten, muss der Betreiber in geeigneter Weise darauf hinwirken, dass kein Fehlverhalten vorkommt. Den Betreiber einer Waschstraße trifft deshalb die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren.

Für die Revisionsinstanz ist mangels gegenteiliger Feststellungen des BerGer. davon auszugehen, dass die Bekl. dem Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs keine Hinweise zur Benutzung der Waschstraße und der bei einem Bremsen während des Schleppvorgangs drohenden Gefahren erteilt hat.