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Elterliche Sorge – Streit der Eltern über die Wahl des Kindergartens

Elterliche Sorge – Streit der Eltern über die Wahl des Kindergartens Der Wechsel eines Kindergartens nach Eingewöhnung des Kindes in einen Kindergarten entspricht regelmäßig nicht dem Kindeswohl. OLG Hamm, Beschluss vom 25.5.2018– 4 UF 154/17 Zum Sachverhalt: Die Eltern streiten über den Wechsel eines Kindergartens. Die Eltern sind bereits geschieden. Das Kind lebt im Haushalt der Mutter. Die […]

Elterliche Sorge – Streit der Eltern über die Wahl des Kindergartens

Der Wechsel eines Kindergartens nach Eingewöhnung des Kindes in einen Kindergarten entspricht regelmäßig nicht dem Kindeswohl.

OLG Hamm, Beschluss vom 25.5.2018– 4 UF 154/17

Zum Sachverhalt:
Die Eltern streiten über den Wechsel eines Kindergartens. Die Eltern sind bereits geschieden. Das Kind lebt im Haushalt der Mutter. Die Kindeseltern sind gemeinsam sorgeberechtigt. Die Kindesmutter möchte das Kind im Waldorfkindergarten anmelden, was der Kindesvater ablehnt. Die Kindesmutter hat erstinstanzlich beantragt, ihr die Entscheidungsbefugnis zur Auswahl des Kindergartens für das Kindzu übertragen. Der Kindesvater ist dem entgegengetreten und hat Antragszurückweisung beantragt. Er lehnt explizit und mit umfassender Begründung den Waldorfkindergarten und dessen Pädagogik ab. Auch lehnt er einen anschließenden Besuch einer Waldorfschule ab, der sich aber aufgrund der sodann im Kindergarten geschlossenen Freundschaften anschließen würde. Das AG Siegen (Beschluss vom 3.8.2017 – 15 F 692/17) hat die Entscheidungsbefugnis über die Kindergartenauswahl für das Kind auf die Kindesmutter übertragen und dem Kindesvater die Kosten des Verfahrens auferlegt. Dagegen wendet sich der Kindesvater mit der Beschwerde. Er beantragt, ihm abändernd die Entscheidungsbefugnis über die Kindergartenauswahl für das Kindzu übertragen.

Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist in der Hauptsache aber unbegründet, da das AGzutreffend die Entscheidungsbefugnis über die Kindergartenauswahl für das Kindauf die Kindesmutter übertragen hat und nicht dem Kindesvater diese Entscheidungsbefugnis zu übertragen ist.

Einem Elternteil ist gem. § 1628 BGB die Entscheidung in einer einzelnen Angelegenheit zu übertragen, wenn die Kindeseltern sich nicht einigen können. Maßgebendes Entscheidungskriterium ist dabei, wie bei allen Regelungen, die die elterliche Sorge betreffen, gem. § 1697a BGB das Kindeswohl.

Das Gericht trifft diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes insgesamt am besten entspricht. Es ist zu prüfen, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen, und die Vorstellungen der Eltern über den gewünschten Kindergarten ist an diesem Maßstab zu messen.

Die Kindeseltern sind nicht in der Lage, eine gemeinsame Entscheidung über die Wahl des Kindergartens für das Kind zu treffen. Sie können sich nicht auf einen Kindergarten einigen.

Aus den von den Kindeseltern jeweils bevorzugten Kindergärten ergibt sich keine Präferenz für die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil. Dem Senatobliegt nicht die Entscheidung, ob die Position der Kindesmutter oder die des Kindesvaters zum Kindergarten des Kindes der Vorzug zu geben ist, solange beide Positionen vertretbar sind. Beide Kindeseltern haben vertretbare und nachvollziehbare Argumente für die von ihnen jeweils getroffene Wahl.

Die Waldorfpädagogik ist staatlich anerkannt und eine Waldorfschule bietet regelmäßig alle staatlichen Schulabschlüsse an. Der Kindesvater begründet seine Ablehnung auch nicht mit den konkreten Bedürfnissen vom Kind, sondern mit der hinter der Pädagogik stehenden Ideologie. Dem Senatobliegt nicht die Entscheidung über eine grundsätzliche Billigung oder Ablehnung der Waldorfpädagogik.

Der Kindesmutter ist die Entscheidungsbefugnis über die Kindergartenauswahl aufgrund der inzwischen eingetretenen, tatsächlichen Gegebenheiten zu übertragen.

Das Kind besucht den Waldorfkindergarten seit dem Sommer 2017 und hat sich dort eingelebt. Dass ein Wechsel des Kindergartens (und der zugrunde liegenden Pädagogik) sinnvoll ist, erschließt sich nicht ohne Weiteres und wird auch vom Kindesvater nicht thematisiert. Nach den Schilderungen der Beteiligten reagiert Nzunehmend empfindlich auf den Streit der Kindeseltern. Damit sollte ihm vermehrt Stabilität vermittelt werden und ihm gerade kein Wechsel des Kindergartens zugemutet werden.

Auch die tatsächliche Betreuungssituation durch die Kindesmutter spricht für eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf diese. Denn als tatsächliche Betreuungsperson hat die Kindesmutter im Alltag den Kindergartenbesuch zu unterstützen und erlebt die Konsequenzen täglich sowohl hinsichtlich der praktischen Umsetzung (z. B. Fahrwege) als auch hinsichtlich der Auswirkungen der angewandten Pädagogik; die Kindesmutter ist voraussichtlich diejenige, die von den organisatorischen/praktischen Folgen der Kindergartenwahl überwiegend betroffen ist.

Der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Kindesmutter steht nicht entgegen, dass diese im Verfahren unwahre oder zumindest unvollständige Behauptungen aufgestellt hat. Um das von ihr gewünschte Ergebnis zu erreichen, behauptete sie Vorzüge des Waldorfkindergartens, die zumindest nicht in der vom Kind tatsächlich besuchten Gruppe vorlagen. So behauptete sie umfassendere Öffnungszeiten des Waldorfkindergartens und verneinte eine vom Kindesvater zum Sommer 2017 sichergestellte Verfügbarkeit eines Kindergartenplatzes in L. Damit ist fraglich, ob die Kindesmutter am Kindeswohl orientierte Entscheidungen zu treffen vermag  Jedoch ist ein Bestrafen der Kindesmutter für Fehlverhalten nicht möglich, da alleiniger Maßstab das Kindeswohl ist.

Dabei ist dem Senatdurchaus bewusst, dass von den äußeren Gegebenheiten einer der Kindergärten in L. in Wohnortnähe zur Kindesmutter grundsätzlich den Vorzug verdient. Denn dieses bedeutet für das Kinddie kürzeren Wege; die Fahrwege der Kindesmutter sind nicht maßgeblich, da die Entscheidung am Kindeswohl und nicht an den Interessen der Eltern auszurichten ist. Die Möglichkeit der Kindesmutter, bei einem arbeitsnahen Kindergarten schneller vor Ort sein zu können, ist nicht entscheidend. Denn die Kindesmutter hat nicht behauptet, dass derartige „Notfälle“ in einem relevanten Umfang eintreten. Auch ermöglicht ein Kindergarten in L. die Beibehaltung der bestehenden Umgangsregelung. Bei einem fortgesetzten Besuch der Waldgruppe des Waldorfkindergartens in T. muss hingegen die Umgangsregelung angepasst werden, was in der Vergangenheit wiederum zu Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Kindeseltern führte.

Insgesamt erscheint der Kindesvater damit zwar grundsätzlich besser geeignet, eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu treffen, da seine Kindergartenauswahl die Fahrwege für das Kind kurz hält und die konfliktfreie Beibehaltung der bestehenden Umgangsvereinbarung ermöglicht. Auch scheint er seine Entscheidung an den Bedürfnissen vom Kind auszurichten, indem er zum Beispiel detailliert die Konsequenzen der verschiedenen Fahrwege überdenkt. Aufgrund des Zeitablaufs und der Eingewöhnung vom Kind im aktuell besuchten Waldorfkindergarten in T. entspricht jedoch nun ein Wechsel des Kindergartens nicht mehr dessen Wohl.