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Verschweigen von Vorschäden

Das Oberlandesgericht Saarbrücken (Urteil vom 18.7.2019 – Aktenzeichen 4 U 102/17) hatte neulich eine Entscheidung über einen Verkehrsunfall zu treffen, bei dem die Schäden nicht eindeutig zuzuordnen waren. Dieser Umstand kommt leider immer wieder vor. Das kann für den Geschädigten zu erheblichen Problemen bei der Geltendmachung seiner Schadenspositionen führen.

Nach einem Unfall hat der Geschädigte Anspruch auf Schadenersatz. Damit er seinen Schaden beziffern kann, darf er einen unabhängigen Sachverständigen in Anspruch nehmen. Dieser kalkuliert dann den Reparaturschaden. Dem Sachverständigen sollten alte Schäden (Vorschäden) klar angezeigt werden. Er soll dann nur den aktuellen Schaden kalkulieren.

Der Unfallgeschädigte muss in der Lage sein etwaige Vorschäden und die aktuellen Schäden zu unterscheiden. Wenn er die Vorschäden von dem aktuellen Schaden nicht unterscheiden kann, muss er damit rechnen, dass er die neuen Schäden nicht ersetzt bekommt. Denn dann lässt sich nicht ausschließen, dass auch die kompatiblen (jetzigen) Schäden vom Vorschaden herrühren. Es kann nämlich sein, dass die beschädigten Stellen am Fahrzeug erneut beschädigt wurden bzw., dass der Schaden bereits vorhanden war.

Im Ergebnis kann ein Geschädigter selbst (technisch) kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen, wenn nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen ist, dass diese bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind.

Eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO kommt erst in Betracht, wenn der Kläger dargelegt und bewiesen hat, welcher eingrenzbare Vorschaden durch welche konkreten Reparaturmaßnahmen fachgerecht beseitigt worden ist (vgl. KG, Urteil vom 29. Juni 2009 – 12 U 146/08, NZV 2010, 350; Senat, Urteil vom 21. November 2013 – 4 U 437/12).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann im Streitfall nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass zumindest die theoretisch dem Unfallmechanismus zuzuordnenden Schäden auch tatsächlich durch das aktuelle Unfallereignis entstanden sind.

 

Praxishinweis:

Sollten Sie Schäden an Ihrem Fahrzeug haben, empfehle ich Ihnen die Schäden genauestens zu dokumentieren. Ein Gutachten ist immer hilfreich, aber nicht stets ausreichend. Sie sollten in der Lage sein, darzulegen, wann welcher Schaden entstanden ist und ob dieser Schaden behoben wurde oder nicht. Reparaturbestätigungen durch Sachverständige reichen mittlerweile den Versicherern nicht mehr aus. Eine Rechnung einer Werkstatt wäre beispielsweise hilfreich. Wenn Sie in Eigenregie reparieren sollten, wäre Rechnungen zumindest über die Ersatzteile hilfreich. Fotos vom Vorschaden und eventuell Fotos nach der Reparatur und der Anwesenheit von Zeugen müssten ausreichen.